Kurier, 05.12.1994

Chance für Begabte

Kurt Markaritzer Es gibt gar nicht wenige Mädchen und Buben, die wesentlich begabter sind als der Durchschnitt: eines von 50 Kindern ist generell besonders talentiert und zehnmal so viele verfügen über spezielle Teilbegabungen. Solchen Kindern und Jugendlichen, die keineswegs "Strebertypen" sind, sondern das Glück haben, leichter zu lernen und schneller zu kapieren als andere, ist im normalen Schulbetrieb oft ziemlich fad, weil sie dort nicht voll gefordert werden. Für sie müßte es eigene Lehranstalten für Hochbegabte geben, wie sie die Wiener Volkspartei mit einer Schule plant, die nach Sir Karl Popper benannt werden soll. Projekte dieser Art haben natürlich viel mit Weltanschauung zu tun, und deshalb ist es nicht überraschend, daß die SPÖ der "Hochbegabtenförderung" eher distanziert gegenübersteht. Viel überraschender – und sehr erfreulich – ist dagegen die Haltung des Wiener Stadtschulratspräsidenten Kurt Scholz, der zu den unkonventionellen Denkern der Sozialdemokratie gehört und bei einer Enquete in Wien spontan zugesagt hat, dieses Vorhaben der Wiener ÖVP "tatkräftig zu unterstützen". Schützenhilfe für eine Idee, die aus der "anderen" politischen Ecke kommt, statt der in solchen Fällen üblichen Ablehn–Automatik? Das wär‘ ein neuer Stil, an den man sich gewöhnen könnte!