Kurier, 31.08.1999

Begabtenschule zeigt Mängel im Regelschul–System auf

Studie zeigt: Kinder haben Probleme mit selbständigem Arbeiten, Streß / Reform nötig Die Sir–Karl–Popper–Schule für Kinder ab der achten Schulstufe hat nicht nur die Aufgabe der Begabtenförderung. "Die dort gesammelten Erfahrungen sind entscheidend für die Zukunft der Regelschule", ist Vizebürgermeister Bernhard Görg überzeugt. Wenn dem so ist, dann besteht beträchtlicher Reformbedarf. Die in einer Studie zusammengefaßten Erfahrungen mit einem Jahr Popper–Schule zeigen die Schwächen des Schulsystems auf. Die hochbegabten Jugendlichen haben nach acht Jahren Regelschule enorme Probleme beim selbständigen Arbeiten. Sie haben lediglich gelernt, die Vorgaben der Lehrer zu erfüllen. Eigenverantwortliches Lernen ist vielen fremd. Die Schüler "müssen erst lernen, mit der neuen Freiheit umzugehen", heißt es in der Studie. Das Klagen einiger Schüler über Streß–Symptome hat noch eine andere Ursache: Im Regelschulsystem werden Hochbegabte oft nicht gefordert. Sie müssen sich daher auch nicht anstrengen. Künftig soll es für sie eine "Eingangsphase" geben, die den Zweck hat, die Kinder auf die Popper–Schule vorzubereiten. Außerdem hat sich gezeigt, daß Höchstleistungen nur in einzelnen Fächern möglich sind. Für die beiden letzten Klassen soll daher ein "Kurssystem" eingeführt werden, kündigt der Direktor der Popper–Schule, Günther Schmid, an. Die Schüler können zwischen Fächern in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden wählen. Zusätzliche Hilfe ist spezielle Betreuung ("Coaching") durch Lehrer. Wegen der ausgeprägten Individualität hochbegabter Kinder gibt es Probleme mit der "Sozialisation" (Hineinwachsen in eine soziale Ordnung). Die Schulleitung will mit Sozialprojekten wie Altenbetreuung gegensteuern. Die Konsequenzen für das Regelschulsystem: Auch in den beiden letzten AHS–Klassen (11., 12. Schulstufe) könnte es in einigen Jahren ein "Kurssystem" geben. Patentrezepte zur Förderung der Eigenständigkeit der Schüler gibt es nicht. Die grüne Gemeinderätin Susi Jerusalem äußert Einwände gegen die Popper–Schule: "Begabtenförderung und ein von der Regelschule übernommenes und lediglich modifiziertes Modell passen nicht zusammen." Andreas Anzenberger