Die Sir Karl Popper Schule für Hochbegabte

Was ist die Sir Karl Popper Schule?

  • Die Sir-Karl-Popper-Schule (in der Folge kurz "SKP" genannt) ist eine Oberstufenform, aber sie ist kein ORg, ein Oberstufenrealgymnasium.
  • Die SKP ist eine öffentliche Schule und keine Privatschule mit verpflichtendem Schulgeld.
  • Sie ist im Jugendstilgebäude am Wiedner Gürtel 68 und nicht in jenem Gebäude in der Felberstraße nächst dem Westbahnhof untergebracht, auf dem in großen Lettern der Name "Sir Karl Popper Schule" prangt. (Hinter diesem verbirgt sich eine kooperative Mittelschule, die mit der "Sir-Karl-Popper-Schule am Wiedner Gymnasium" in keinerlei Beziehung steht.)
  • Vor allem aber: die SKP ist eine Schule für sehr begabte Jugendliche und versteht sich nicht als "Eliteschule" im landläufigen Sinne des Wortes.

Die SKP ist vielmehr ein als "Schulversuch für Hochbegabte" geführter Teil des Wied­ner Gymnasiums - also einer öffentlichen AHS - der mit zwei Klassen pro Jahrgang von der 5. bis zur 8. Klasse (d.h. aus insgesamt acht Klassen bestehend) par­al­lel zu den anderen Oberstufenklassen dieser Schu­le läuft. Folglich gibt es auch kein verpflichtendes Schulgeld – wiewohl die Eltern aus der Erkenntnis heraus, dass das weit über das normale Maß hinaus gehende pädago­gische Angebot und die ein­zig­artige Ausstattung der Schule ohne zusätzliche Finan­zierung nicht annähernd auf­recht erhalten werden könnten, einen Verein gegründet haben, der einen freiwilligen monatlichen Beitrag von 60 € einhebt (von dem vor allem auch bedürftigeren Schü­lern finanzielle Zuschüsse für die ho­he Zahl von Schul­veranstal­tungen, Auslandsreisen und Projekten gewährt werden).

Wie werden die Schüler/innen ausgewählt?

Es darf von einer Schule erwartet werden, dass sie weiß, wo ihre professionellen Stärken liegen. Dass sie aus diesem Wissen heraus nur solche Schüler/innen aufnimmt, die sie optimal zu bedienen in der Lage ist, ist normalerweise aus schulorganisatori­schen Gründen eine Utopie. Aber ein Schulversuch wie die SKP bezieht seine Exi­stenz­berechtigung aus dem Anstreben von Utopien. Ein "Schulversuch für Hochbe­gabte" hat die moralische Verpflich­tung sicher zu stellen, dass nur Personen aufgenommen werden, die mit wis­sen­schaftlichen, standardisiserten Methoden als hochbegabt ausgewiesen sind.

Die Identifikation von Hochbegabungen ist sehr komplex. Sie lässt sich nicht einfach an schulischen Er­fol­gen festmachen. Gute Zeugnisnoten können unter Umständen auch nur als Urteil über die Qualität der bisher besuchten Schule oder über das soziale Umfeld zu inter­pretieren sein. Echte Hochbegabung findet sich aber in allen sozialen Schichten!

Es ist daher nur folgerichtig, dass die Schülerpopulation der SKP durch eine breite so­zi­ale Streuung gekennzeichnet ist und sich aus allen Schultypen einschließlich der Hauptschule bzw. kooperativen Mittelschule rekrutiert.

Ein valides Urteil über das Vorliegen von Hochbegabung kann nur auf streng wissenschaftlicher Basis erstellt werden. Damit potentielle Fehlerquellen ausgeschaltet werden, wird das aufwändige Aufnahmeverfahren nicht von schuleigenen Personen durchgeführt, sondern an externe, international bewährte Experten delegiert. Die Bewerber/innen werden in kleinen Gruppen in einem mehrstündigen Auswahlverfahren mit international anerkannten, standardisierten psychologischen Tests auf ihre Begabungsstruktur hin eingeschätzt. Es geht dabei nicht um einen (viel zu wenig aussagekräftigen) allgemeinen Intelligenzquotienten, sondern um ein Profil in differenzierter Form (kristallisierte vs. fluide Intelligenz, Verhältnis zwischen numerischer, figuraler, verbaler Intelligenz, usw.).

Begabungsfördernde Lehrpersonen

Der durch zahlreiche Projekte, Einzel- und Gruppenaktivitäten aufgelockerte, sehr flexibel gestaltete Schulalltag stellt hohe menschliche Anforderungen an die Lehrpersonen. Um kritische, fordernde Hochbegabte adäquat fördern zu können, müssen sie über das Wesen von Begabung und Hochbegabung Bescheid wissen. Dies erfordert neben einer permanenten einschlägigen Fortbildung (für Lehrpersonen der SKP verpflichtend) vor allem eine innere pädagogische Haltung, die von großer Offenheit und Lernbereitschaft sowie einem hohen Maß an Toleranz und Verständnis geprägt ist.

In einem Paradigmenwechsel vom Fokus auf das Lehren (d.h. der alleinigen Berücksichtigung von Didaktik = Lehre vom Lehren) zum Fokus auf das Lernen (d.h. einem Verstehen und Akzeptieren der Prozesse, die im Lernenden ablaufen, und die Berücksichtigung bei der Unterrichtsarbeit, also das Wissen um Mathetik = Lehre vom Lernen) muss eine Lehrperson die Sichtweise des Lernenden annehmen. Sie muss die Entwicklung des Lernenden als ganzheitliches menschliches Phänomen sehen und das Hauptaugenmerk auf dessen Stärken und nicht auf vorhandene Defizite richten. Ihr eigenes Rollenverständnis muss eine begabungsfördernde Lehrperson stärker als üblich im Sinne eines "Mitlernenden" einerseits und eines "Coaches" andererseits verändern. (Coaching ist auch ein fixer Bestandteil des wöchentlichen Stundenplans für jeden Schüler.

Begabungsförderung ist aus Sicht von Lehrpersonen also nicht in erster Linie eine Frage der Fach- oder Methodenkompetenz, sondern der pädagogischen Haltung.

Begabungsfördernde Lernkultur

Wer sich als "Mitlernender" versteht, kann gar nicht anders, als die "Kolleginnen und Kollegen" (d. h. die Schüler/innen) zum Mitgestalten einladen. Die solcherart entstehende neue Lernkultur führt zu einer Demokratisierung des Lernprozesses, die sich sowohl im täglichen Umgang mit­einander als auch an konkreten Ereignissen zu bestimmten Punkten des Schuljahres manifestiert:

  • In den ersten Wochen des Schuljahrs bzw. Semesters (bei Modulen) werden von jeder Lehrperson mit jeder Klasse/Lerngruppe die inhaltlichen Akzente, die methodische Vorgangsweise, z. T. die einzusetzenden Materialien, aber auch die Prüfungsverfahren gemeinsam festgelegt und schriftlich in Form eines "Contracting" fixiert. Im nächsten Schritt werden von den Lehrpersonen die Beurteilungskriterien – ebenfalls schriftlich – offen gelegt.
  • Im Sinne einer möglichst weit gehenden Individualisierung des Lernprozesses - nicht jeder Lernende will (und soll) zur selben Zeit mit denselben Mitteln und auf denselben Wegen mit demselben Maß an Konzentration dieselben Übungen durchführen müssen, um ein zuvor definiertes Ziel zu erreichen! – werden statt der klassischen Hausübungen häufig sogenannte "Assignments" verwendet. Darunter versteht man ein Bündel von Arbeitsaufträgen verschiedener Art, die nach Schwierigkeitsgrad und Zeitaufwand gewichtet sind. Ein Beurteilungsraster informiert die Schüler/innen, wie viele Punkte sie für jede der vier positiven Zensuren benötigen. Innerhalb eines vereinbarten Zeitrahmens (typischerweise 3 – 4 Wochen) erledigt jeder Lernende nach eigener Auswahl jenes Pensum, das er braucht, um die angestrebte Zensur zu erreichen. (Der Lernende kann also erstens selbst entscheiden, wie hoch er sich selbst die Latte legen will, und zweitens, welche der möglichen Wege zur Erreichung dieses Zieles ihn persönlich am meisten ansprechen.)
  • Um ihrem Selbstverständnis als lernende Institution gerecht werden zu können und in der Entwicklung nicht zu stagnieren, ist die Schule auf regelmäßige konstruktive Rückmeldungen und Mitgestaltung seitens der Schulpartner angewiesen. Daher ist jede Lehrperson verpflichtet, von jeder Klasse mindestens ein Mal im Schuljahr ein schriftliches Feedback einzuholen.
  • Die Schulleitung holt sich regelmäßig Anregungen im Rahmen des sogenannten "Popper-Forums", in dem auf freiwilliger Basis und nach eigener Wahl zustande gekommene Delegationen von Schüler/innen und Eltern aus allen Klassen alles vorbringen, was ihnen am Herzen liegt. Viele Verbesserungen der letzten Jahre haben von derartigen Sitzungen ihren Ausgang genommen.
  • Auf diese Weise erleben sich die Schüler/innen als ernst genommen, was wiederum ihrer eigenen Motivation und Bereitschaft zur Zusammenarbeit, vor allem aber ihrer Fähigkeit zu eigenständigem kritisch-konstruktivem Denken förderlich ist.

Enrichment

Von der 5. bis zur 7. Klasse erfolgt schrittweise die Hinführung zu wissenschaftlichem Arbeiten. Die Grundlagen dazu erhalten die Schüler/innen in der 5. Klasse in Form einer Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten sowie einer solchen in Präsentationstechniken und Rhetorik. Die Entwicklung von ersten Forschungsfragen ist in den einzelnen Gegenständen integriert. In der 6. Klasse wird das forschende Lernen intensiviert und eine kurze vorwissenschaftliche Arbeit geschrieben. Durch ein Modul „Vorwissenschaftliches Arbeiten“ erfolgt die Hinführung zur Vorwissenschaftlichen Arbeit für die Reifeprüfung.

In der 5. Klasse steht in Form eines interdisziplinären Projekts die Befassung mit dem Themenfeld Nachhaltigkeit. Der Begriff eröffnet ein Spannungsfeld, dessen eminente Bedeutung aufgrund der Entwicklungen der vergangenen Jahrzehnte gerade in ökologischer, sozialer und wirtschaftspolitischer Hinsicht immer mehr in den Vordergrund rückt. Aus derzeitiger Perspektive erscheint das Thema Nachhaltigkeit als die Zukunftsfrage schlechthin. Das Projekt trägt dieser Entwicklung vorausschauend Rechnung: Ziel ist der Aufbau von Kompetenzen auf dem Gebiet Nachhaltigkeit im Rahmen einer intensiven Schwerpunktwoche in Kooperation mit Partnerorganisationen, die in diesem Bereich regional oder international aktiv sind.

Die extracurricularen Aktivitäten der 7. und 8. Klassen stellen den unmittelbaren Kontakt mit der Wissenschaft her und versuchen, die Grenzen zur Universität aufzuheben oder zumindest durchlässig zu machen. Im Rahmen der Serie "Experts go Popper" können namhafte Universitätsprofessoren/innen, Wissenschaftler/innen aus der Wirtschaft und andere bedeutende Persönlichkeiten der Gesellschaft als Vortragende in der eigenen Schule erlebt werden. In sogenannten Ringvorlesungen können sich die Schüler/innen selbst als Vortragende einem öffentlichen Publikum stellen und finden damit ein Forum, jene Fragestellungen, die sie wirklich interessieren und mit denen sie sich intensiv befasst haben, zu präsentieren.

In der 6. Klasse muss jede Schülerin und jeder Schüler im Rahmen des fächerübergreifenden Projekts „Kompetent sozial“ eine individuelle Schwerpunktleistung erbringen. Dazu arbeiten die Jugendlichen in unterschiedlichen Institutionen, in denen Menschen betreut werden, die eine besondere Form der Kommunikation benötigen.

Unter der Bezeichnung „Popper goes international“ wird den Schüler/innen der 7. und 8. Klasse ermöglicht, an nationalen und internationalen Tagungen und Kongressen teilzunehmen und darüber zu berichten.

Akzeleration

Die angeführten Enrichment-Angebote dürfen aber nicht rein additiv im Sinne eines Mehr an Wissensvermittlung missverstanden werden. Der Begriff "Enrichment" bezieht sich nicht auf die Quantität des Lernstoffes, sondern auf die Qualität des Lernprozesses. Daher müssen, um Zeit zu gewinnen und Freiräume für ein solcherart " BEreichertes" (nicht ANgereichertes!) Lernerlebnis zu schaffen, ohne die jungen Menschen zu überfordern, in manchen Bereichen sogar quantitative Abstriche gemacht werden:

  • Im Modulsystem der 6. bis 8. Klasse werden die Lerninhalte verschiedener Fächer, z.B. Geschichte, Geographie, Biologie und Physik zu Basiskursen mit geringerem Stundenausmaß als im Regelschulbereich gerafft („Compacting“).
     
  • Die schriftliche Reifeprüfung aus Englisch, Mathematik, Französisch (6jährig), Latein (sechsjährig)kann an das Ende der 7. Klasse vorgezogen werden.

Begabungsfördernde Strukturen

Begabungsfördernde Lehrpersonen, die durch ihre pädagogische Haltung eine begabungsfördernde Lernkultur schaffen, fördern bei den Lernenden deren Motivation, das begabungsfördernde Angebot anzunehmen und dabei die jeweils eigene Begabung konsequent zu verwirklichen. Dazu muss diesen die Möglichkeit zu individueller Gestaltung des eigenen Bildungsweges gegeben werden. Individualisierung, die das Alpha und Omega jeder Pädagogik sein sollte, hat aber ihre natürlichen Grenzen. Die Antwort der begabungsfördernden Pädagogik auf diese Grenzen des Möglichen ist das sogenannte " Grouping ", worunter man das Zusammenfassen homogener Teilgruppen Gleichgesinnter bzw. in ähnlicher Weise partiell Begabter versteht.

Die SKP stellt in ihrer Gesamtheit ein einziges großes "Grouping"-Experiment dar. Eine zusätzliche Möglichkeit zu einer noch verstärkten individuellen Schwerpunktsetzung bietet das vor-universitäre Modulsystem der 6. bis 8. Klasse, das das Wahlpflichtfächersystem des Regelschulwesens ersetzt und mit dem Schulversuch „Modulierung der Wahlpflichtgegenstände“ des Wiedner Gymnasiums verschränkt ist.

Kennzeichen dieses Systems ist die Differenzierung des Angebots bzw. der Wahlmöglichkeiten hinsichtlich des Umfangs und des Inhaltes der einzelnen Fachbereiche: Neben verpflichtenden Kernmodulen aus Religion/Ethik, Deutsch, Englisch, Fremdsprache aus der 5. Klasse, Mathematik und Bewegung und Sport wählen die Schüler/innen aus allgemeinbildenden Basismodulen sowie zusätzlich völlig frei Wahlmodule, die oft auch fächerverbindend angeboten werden. Je nach individueller Wahl ergibt sich damit für die Lernenden der für das Reifeprüfungszeugnis relevante Schultyp (Gymnasium oder Realgymnasium), unabhängig davon, ob der/die Betreffende aus dem Gymnasium oder aus dem Realgymnasium kommt. Eine Entscheidung für eine der beiden Schultypen ist beim Eintritt in die Popperschule daher nicht nötig.

Direktor Mag. Dr. Edwin Scheiber